Unterrichtsvorbereitung ist intensiv. Vor allem zu Beginn des Referendariats sowie in den ersten Praxisphasen im Kontext der universitären Ausbildung. Für eine sorgfältige Vorbereitung einer Unterrichtsstunde gehen gut und gerne fünf bis sieben Stunden drauf. Und dies passiert gezwungenermaßen am späten Nachmittag oder abends, wenn die tägliche kumulierte Anstrengung auf einem besonders hohen, die aktuelle Kreativität zusammen mit der Energie jedoch auf einem unteren Niveau liegen.
Als Referendar hört man des Öfteren, dass nach ungefähr drei Jahren im Lehrdienst die Vorbereitungszeit sinkt und man bei einem vernünftigen Ziel, 45 Minuten Vorbereitung für 45 Minuten Unterricht, angelangt. Gerade wenn alle Einheiten einmal unterrichtet wurden, sei man dann deutlich schneller, da ausreichend Material verfügbar ist, die grundlegenden Konzepte schon durchdacht wurden und Fehlerquellen und Hürden im Unterricht bereits bekannt sind.
Die Preisfrage ist jedoch, wie man bereits früh ausreichend Erfahrung sammelt, um bei einer derartigen Work-Life-Balance anzukommen. Wirft man den Blick auf die die zweite Phase des Referendariats mit dem eigenständigen Lehrauftrag von zwölf Deputatsstunden ist die bisherige sorgfältige und umfangreiche Vorbereitung nicht möglich und zumeist nur der Einheit der Lehrproben vorbehalten.
Das Zauberwort hier ist also eine pragmatische Unterrichtsvorbereitung. Kann mit Pragmatismus Aber überhaupt eine ausreichende Qualität erreicht werden? Ist es trotz eines umfangreichen Deputats möglich, die Kompetenzziele zu erreichen und dabei gleichermaßen nicht nur Unterricht „aus der Schublade“ zu machen?
Glücklicherweise spielt und hierbei ein bestimmtes Prinzip in die Karten.
Das sogenannte Pareto-Prinzip oder auch 80/20-Prinzip erkennt in sozialen und natürlichen Prozessen ein gewisses Gleichgewicht.
So ist es der Fall, dass beispielsweise 20% der Erbsenpflanzen im Garten 80% der Erbsen produzieren. Es gilt jedoch auch, dass mit 20% getaner Arbeit circa 80% der letztendlich Leistung und Erfolge erreicht werden. Das bedeutet, dass die restlichen 80% der Arbeit in Feinheiten und nicht unbedingt notwendige Ziele und Produkte fließen und nur 20% von der letztendlichen Leistung ausmachen (Lesetipp an dieser Stelle: Richard Koch - The 80-20 Principle)
Kurzgesagt: Man ist nicht produktiver, wenn man mehr beschäftigt ist.
Überlegen wir einmal:
Wie viel macht eine gute Vorbereitung aus?
Schaut man von außen auf den Lehralltag, wäre rein logisch, wenn die Qualität des Unterrichts linear mit der Qualität der Vorbereitung zunehmen würde. Je länger der erfahrene Pädagoge also zielorientiert und produktiv am Schreibtisch verweilt, desto mehr erreicht er in den SuS. So ganz lässt sich diese modellhafte Annahme nicht bestätigen. Man klammert hierbei nämlich unglaublich viele wichtige Variablen aus, die den Schulalltag so komplex werden lassen. Klassenarbeiten, unvorhergesehene Ereignisse, eine unverhoffte schlechte Stimmung in der Klasse, die eigene Unausgeglichenheit und Unaufmerksamkeit zum Zeitpunkt des Unterrichts - sie alle führen dazu, dass selbst ideal vorbereitete Stunden in die Hose gehen können.
Zusätzlich greift auch im Lehralltag und in der Planung das 80/20-Prinzip. Und ich habe es selbst erfahren. Dieser zusätzlichen Vorbereitungsaufwand zum Erreichen der scheinbaren „Perfektion“ lässt sich nicht abstreiten. Ich erkenne ihn bei mir klar und deutlich. Es floss beispielsweise viel Zeit der Vorbereitung meiner Unterrichtsbesuchsstunden in die selbstständige Erstellung von Material, was exakt den eigenen Wünschen entspricht. Bebilderte Fließdiagramme wurden erstellt, Rollentexte neu aus zahlreichen Zeitungsquellen zusammengeschrieben oder Streichholzschachteln zum Nutzen in Algebra verkleidet. Es sind also „Kleinigkeiten“ wie die selbstständige Erstellung von Grafiken über einen Illustrator oder Plotten von Funktionsgraphen und Koordinatensystemen über LaTeX können Stunden einnehmen. Die Frage ist, ob dies im späteren Unterrichtseinsatz die Wertschätzung erfährt, die es verdient hätte. Was spricht für die Erstellung derart ausgefeilter Materialien? Mein ein eigenes „Corporate Design“ wird geprägt. Außerdem macht die macht die Erstellung eigener, personalisierten Materialien Spaß und kann die Bedeutung und die Ernsthaftigkeit auf ein anderes Niveau heben. Was spricht dagegen? Der genannte Zeitaufwand, um die 100% wirklich zu erreichen.
Doch wir könnte die allgemeine Vorbereitungszeit effizienter genutzt werden? Was sollte die Take-Home Message aus diesem Artikel sein?
- Priorisieren die To-Dos der Unterrichtserstellung. Bearbeite dabei die wichtigsten und wirklich tragenden Säulen zuerst. Diese sollten 80% der Kompetenzentwicklung erreichen. Greife hier gerne auf bereits vorhandene Materialien zurück. Das Schulbuch hat seine Existenzberechtigung. Ein Großteil der Zeit sollte darauf verwendet werden, einen klaren roten Faden für die SuS in das Material zu bekommen und den Unterricht von Schülerseite zu denken und erreichbare Ziele zu setzen.
- Anschließend kann man sich auf die Erstellung von „Zuckerstunden“ einlassen und dabei die Stunden auf 100% abrunden. Wichtig wird hier aber sein, sich auf eine Stunde in der Woche zu konzentrieren. Ebenso wichtig, dass diese Stunde nicht immer nur bei der Lieblingsklasse stattfindet, damit also alle SuS zu gleichen Teilen von der zusätzlichen Zeit profitieren.